Die Wiener Griechen
Wien wurde für die Kaufleute aus dem Osmanischen Reich nach der 2. Türkenbelagerung Wiens (1683), den Friedenverträgen von Karlowitz (1699) und Passarowitz (1718) und den damit verbundenen Handelsverträgen als Handelssitz interessant.
Das erste Gotteshaus dürfte die Kapelle im Haus des osmanischen Gesandten Alexandros Mavrokordatos ex Aporriton gewesen sein. 1723/26 wurde von den griechisch-orthodoxen Kaufleuten aus dem Osmanischen Reich die Bruderschaft des Hl. Georg gegründet. 1802 wurde durch Georgios Karajannis das Haus gekauft, in dem sich heute die Kirche zum Hl. Georg befindet. 1776 erteilte Maria Theresia der Bruderschaft zum Hl. Georg Privilegien, die 1782 von Joseph II. und in der Folge von weiteren Kaisern bestätigt wurden.
1766 wurden 134 osmanische Untertanen verzeichnet, die in Wien Handel betrieben, darunter 82 Griechen. Die Wiener Griechen des 18. und 19. Jahrhunderts stammten hauptsächlich aus den Regionen Epirus, Makedonien und Thessalien.
Der Weg durch die Griechengasse führt wenige Schritte weiter zur Kirche der Hl. Dreifaltigkeit. Die Gemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit erhielt 1787 kaiserliche Privilegien. Sie wurde von griechisch-orthodoxen Gemeindemitgliedern, welche Untertanen des Habsburger Reiches waren, gegründet. Das Gebäude wurde 1857 bis 1859 mittels der Finanzierung Simon Sinas von Grund auf nach den Plänen von Theophil Hansen, renoviert. 1898 wurde auch der Hl. Georg renoviert.
Die Gründung einer griechischen Schule wurde 1801 von der griechisch-orthodoxen Gemeinde zur Heiligen Dreifaltigkeit beschlossen. Am 6. Mai 1804 verlieh Kaiser Franz I. der griechischen Nationalschule das Öffentlichkeitsrecht. Heute befindet sich die Schule immer noch in den traditionsreichen Räumen der ehemaligen Nationalschule, im ersten Stock über der Kirche zur Hl. Dreifaltigkeit. Dort befindet sich seit 1963 auch die Metropolis von Austria.
Viele Griechen gehörten zur wohlhabenden Schicht der Wiener Bevölkerung, einige wurden in den Adelsstand erhoben (Ritter, Freiherren und Grafen). Namen wie Sina, Karajan, Dumba, Duka, Curti, Tirka, Spirta, und Kapra sind aus dem Wien des neunzehnten Jahrhunderts nicht wegzudenken.
Georg Sina Freiherr von Hodos und Kisdia (1782–1856), war Inhaber eines der wichtigsten Bankhäuser in Wien, Gouverneur-Stellvertreter der Österreichischen Nationalbank und finanzierte Teilstrecken der Wiener Südbahn und den Bau der zwischen 1842–1849 errichteten Kettenbrücke zwischen Buda und Pest. Für den Bau des k.k. polytechnischen Instituts (heute: Technische Universität Wien) hat er das Grundstück zur Verfügung gestellt. 1877 wurde in der Leopoldstadt die Sinagasse nach ihm benannt.
Nikolaus Dumba (1830–1900) war Mitglied des Herrenhauses und der Gründer des Männergesangs-Vereins, Vorläufer der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde. Er war auch zwischen 1880 und 1900 Oberkurator der Ersten Österreichischen Spar-Casse. In seinem Testament veranlasste der Mäzen die Schenkung von 200 Schubert-Autographen an die Stadt Wien. Nikolaus Dumba stiftete außerdem die Athener Universität sowie in seiner Heimatstadt Serres ein Waisenhaus. Seinen Namen trägt seit 1900 die Straße vor der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde.
Eine wichtige Persönlichkeit, die von Wien aus gewirkt hat, war Rigas Velestinlis (1758–1798), dessen Konterfei noch heute an der Kirche zum Hl. Georg zu finden ist. lm letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kam Rigas Velestinlis nach Wien, wo er seine Bücher druckte. Da es im osmanischen Reich keine Druckereien gab, konnte Rigas seine revolutionären Ideen nur von außerhalb verbreiten. Er veröffentlichte mehrere politische Schriften, darunter die „Charta“ Griechenlands, komponierte aber auch Lieder und übersetzte Romane. Velestinlis gilt heute in Griechenland als Nationalheld. Weiters erschien in Wien die Wissenschafts- und Literaturzeitschrift „Ερμής ο Λόγιος“ („Der gelehrte Hermes“), die 1811 von dem Geistlichen Anthimos Gazis (1758–1828), Archimandrit der Kirche zum Hl. Georg, herausgegeben wurde. Die meisten griechischen Schulbücher und griechischen Gelehrtentraktate an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert wurden in Wiener Druckereien herausgegeben.
Der Biedermeierfriedhof zu Sankt Marx hat eine eigene griechische Abteilung, wo in Wien lebende Angehörige der griechisch-orthodoxen Konfession ab 1784 begraben wurden. Leider sind die Inschriften heute kaum mehr lesbar, dieses Zeitzeugnis ist dem Verfall preisgegeben.
Ein weiteres Zeugnis einer in Wien bekannten griechischen Familie ist der Grabstein von Theodor Ritter von Karajan, der sich in St. Marx befindet. Die Familie Karajan (Karagiannis) aus Kozani ist seit Georg von Karajan (1743–1813), dem Mitbegründer und Mäzen der Kirche zum Hl. Georg, in Wien beheimatet. Sein Sohn, Theodor Georg von Karajan (1810–1873), war Universitätsprofessor für Germanistik an der Universität Wien. An der österreichischen Akademie der Wissenschaften bekleidete er neben anderen Funktionen von 1866 bis 1869 das Amt des Präsidenten. Er war der Urgroßvater des Dirigenten Herbert von Karajan. Im Jahr 1889 wurde im 20. Bezirk die Karajangasse nach Georg von Karajan benannt.
Das Haus am Fleischmarkt 18 gehörte dem griechischen Kaufmann Christoph Nako. Eine Inschrift rechts und links von einer Reliefdarstellung Kaiser Josephs II. preist das Toleranzpatent von 1781, welches den orthodoxen Griechen die freie Religionsausübung ermöglichte: „Vergänglich ist dies Haus, doch Josephs Nachruhm nie; Er gab uns Toleranz, Unsterblichkeit gab sie.“
Ebenfalls am Fleischmarkt befindet sich der Darvarhof auch Zwölferisches Haus genannt (Fleischmarkt 12), benannt nach Ioannis Darvaris, der das Haus 1795 erwarb. 1895 wurde das Gebäude durch einen Neubau ersetzt.
Auch wenn die Zahl der in Wien ansässigen Griechen zurückging und sich viele Griechen integrierten, blieben sowohl die Gemeinde zum Hl. Georg als auch die Gemeinde zur Hl. Dreifaltigkeit bis heute bestehen.
Literaturhinweise
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